„Ich weiß auch nicht genau, wo diese ganzen Zuschauer herkommen", sagte sie etwas ratlos in einem Interview. Da war ihr Video gerade mal zwei Tage bei Youtube zu sehen, aber schon mehr als eine halbe Million mal angeklickt worden, und mittlerweile gehen die Klicks an die drei Millionen. „No, I'm not going to the world cup" heißt das gut sechs Minuten lange Video, das die Brasilianerin Carla Dauden praktisch allein produziert und veröffentlicht hat und in dem sie erklärt, warum sie nicht zur Fußball-WM fahren will.
In Brasilien mag es die Proteste der vergangenen Tage befeuert haben, im Ausland wird es als eine Art filmisches Manifest verstanden, das den Aufruhr erklärt und begründet. Obwohl es gemacht und bei Youtube gepostet wurde, bevor die Proteste losgingen.
Carla Dauden ist vor vier Jahren nach Los Angeles gezogen, wo sie Film studiert und Werbefilme gemacht hat. Nun versucht sie sich als Regisseurin und Produzentin. Drei Millionen Klicks, davon träumt jeder Anfänger in dieser Branche, aber Carla ist der jähe Erfolg bereits etwas unheimlich geworden. Denn ihr Werk wird als Beleg für Forderungen herangezogen, die nicht ihre sind, wie sie in einer öffentlichen Erklärung („Hallo, Leute!") beteuert: Den demokratischen Rechtsstaat abzuschaffen oder die Ablösung der Regierung zu verlangen.
Sie sei zwar nicht unpolitisch, gehöre aber keiner Partei oder Bewegung an. Und ihr Video solle bitte schön nur in einem Kontext verwendet werden, der ihren Prinzipien nicht widerspricht.
Nichts als Fußball, Party, Sex und dicke Hintern
Die hübsche, junge Carla vor einem weißen Hintergrund, die klug, sachlich und packend aufzählt, was gegen die Weltmeisterschaft in Brasilien spricht – auf den ersten Blick wirkt das Video wie ein Stück Aufklärung der engagierten Art. Sie wolle die US-Amerikaner informieren, denen zu Brasilien – ein paar Interview-Schnipsel belegen es – nicht viel mehr als Fußball, Party, Sex und dicke Hintern einfällt.
Das ist handwerklich so flott und so geschickt gemacht wie ein Werbespot, hat aber einen entscheidenden Nachteil: Das Video wimmelt nur so von Fehlern, Verkürzungen und Übertreibungen.
Man mag ja die 12,5 Milliarden Dollar (9,5 Milliarden Euro) Kosten, die Brasiliens Rechnungshof für die WM veranschlagt, für schändlich viel halten – aber es sind trotzdem 12,5 und nicht 35 Milliarden, wie die junge Dame so engagiert sagt. Dass Brasiliens Polizei in die Favelas einmarschiert, um die Banditen nur für die WM festzusetzen und damit „das Problem unter den Teppich zu kehren", ist die grob verkürzte Darstellung eines endlich ernsthaften Versuchs, das Gewaltmonopol des Staates in den Favelas dauerhaft zu festigen. Auch die umstrittene Räumung des Indianer-Museums neben dem Maracanã-Stadion ist empörend schlicht dargestellt – so schlicht, dass es schlicht falsch ist.
Dass sie mit keinem Wort erwähnt, dass es den Brasilianern heute deutlich besser geht als vor zehn Jahren, ist ihr vielleicht noch am ehesten zu verzeihen. Denn sie ist erst 23. Vor zehn Jahren war sie noch ein Kind.
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