In den Beziehungen zwischen Serbien und Deutschland kehren die Geister der 90er-Jahre wieder zurück. Eine der einflussreichsten serbischen Zeitungen ist mit der Politik Deutschlands gegenüber diesem Balkanland ins Gericht gegangen. "Erpressung und Ultimatum für Serben auch im 21. Jahrhundert" stellten "die Kontinuität der germanischen Politik gegenüber unserem Land" dar, schrieb die Belgrader Zeitung "Novosti" am Sonntag auf ihrer Titelseite.
Das Blatt zitiert heimische Historiker, die Forderungen Deutschlands an Serbien zur Lösung der Kosovo-Krise seien schlimmer als das Ultimatum des Habsburger Reiches an Serbien im Jahr 1914, das den Ersten Weltkrieg auslöste. "Der Sadismus begleitet die 15-jährige Quälerei Serbiens, ohne Angebot eines ernsthaften Kompromisses", sagte Cedomir Antic als einer der bekanntesten der Historiker des Landes der Zeitung mit Blick auf Deutschland.
Mit diesem Sadismus wolle Berlin "seine Frustrationen aus dem 20. Jahrhundert überwinden". Der Parlamentsabgeordnete Sinisa Kovacevic wird mit den Worten zitiert: "Das ist demokratischer Faschismus!" und "Dieses Europa ist das Vierte Reich". "Ihre Beziehung zu den Serben ist erniedrigend und unter jedem Niveau", schlug der Bürgermeister der serbischen Gemeinde Zvecan in Nordkosovo in die gleiche Kerbe.
In anderen Zeichnungen erscheinen die Deutschen als Zuchtmeister und ewige Besserwisser. Schnell ist die Parallele mit dem Zweiten Weltkrieg gezogen, als Nazi-Deutschland das damalige Jugoslawien brutal überfallen und bei der Okkupation viele Kriegsverbrechen begangen hatte.
Zur Zeit der jugoslawischen Bürgerkriege (1991-1999) war Deutschland in Serbien das bestgehasste Land. Es handle sich um eine "Verschwörung von Berlin, Wien und dem Vatikan gegen Serbien", um die "Niederlage im Zweiten Weltkrieg wettzumachen", hieß es gebetsmühlenartig. "Deutschlands Drang zum warmen Meer" (Adria) ließ unberücksichtigt, dass Nord- und Ostsee in der Regel nicht zufrieren.
Politiker kennen Deutschland kaum
Heute ist diese Sichtweise bei vielen Parteien, Politikern und Medien wieder allgegenwärtig. Und das, obwohl Deutschland traditionell der wichtigste Partner Serbiens ist: Eine halbe Million Menschen mit serbischen Wurzeln leben dort und überweisen jährlich 1,6 Milliarden Euro in ihre Heimat. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner. Unter den internationalen Geldgebern steht Berlin mit rund 1,8 Milliarden Euro seit 2000 einsam an der Spitze. Etwa 400 deutsche Betriebe haben in Serbien 1,7 Milliarden Euro investiert.
Speerspitze des neuen Niedermachens der Deutschen ist die nationalistische DSS-Partei des früheren Regierungschefs Vojislav Kostunica. Wichtige Mitglieder der Akademie der Wissenschaft wie der Literat Matija Beckovic oder der Schriftsteller Dobrica Cosic ("Vater der Nation") assistieren.
Auffällig ist, dass die Stimmung gegen die Deutschen von den Politikern geschürt wird, die noch nie länger in Deutschland gelebt haben und das Land kaum kennen. Das krasse Gegenteil war der 2003 ermordete erste freigewählte serbische Regierungschef Zoran Djindjic. Der hatte eine akademische Ausbildung in Konstanz absolviert und seine Wahlheimat zum Vorbild für sein Geburtsland ausgerufen.
Doch trotz aller Kritik sehen viele immer noch ihre Zukunft in Deutschland: Zur Zeit büffeln Hunderte Ärzte und Krankenschwestern die deutsche Sprache, weil sie von deutschen Behörden angeworben werden. Während in Deutschland händeringend medizinisches Personal gesucht wird, grassiert in Serbien nicht nur in diesem Berufszweig eine horrende Arbeitslosigkeit.
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