martes, 30 de octubre de 2012

Zehntausende wollen gegen Erdogan protestieren - DIE WELT

Die Aleviten in Deutschland machen dieser Tage ein Versprechen wahr. "Sobald Tayyip Erdogan wieder seinen Fuß auf deutschen Boden setzt, werden wir gegen ihn protestieren", sagt Ali Dogan, Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde Deutschlands. "Wir werden nicht weiter dulden, dass dieser Unmensch in Europa als Demokrat gilt."

Das hatte Dogan bereits im März 50.000 Türkeistämmigen versprochen, als die Aleviten gemeinsam mit Kurden, Armeniern und türkischen Sozialdemokraten in Bochum gegen Erdogan protestiert hatten.

Auslöser war damals die geplante Verleihung des Steiger Awards an Erdogan, einer Auszeichnung für Menschlichkeit und Toleranz. Damals wie heute ist sich Dogan sicher, dass Erdogan ein "lupenreiner Antidemokrat" ist.

Über Jahrhunderte blutig unterdrückt

Erdogan und seine Partei würden Menschenrechtsverletzungen betreiben und etwa Drahtzieher und Täter des Massakers von Sivas gegen die Aleviten im Jahr 1993 decken. Dogan: "Andersgläubige und kritische Journalisten werden Opfer willkürlicher Haft in der Türkei."

Den Aleviten gehören in Deutschland etwa 500.000 Türkeistämmige an. Hierzulande kämpfen sie gegen das machtbewusste Vordringen des türkischen Staates, den Islamismus und Nationalismus. Die Scharia, Pflichtgebete, Alkoholverbot, Kopftuchverbot – das alles lehnen die Aleviten ab, Anhänger einer liberalen schiitischen Glaubensgemeinschaft.

In der Türkei wurden sie über Jahrhunderte von der sunnitisch-muslimischen Mehrheit blutig unterdrückt, noch heute werden sie diskriminiert. Entsprechend wissen Aleviten ihre Freiheiten und Rechte in der deutschen Heimat zu schätzen.

Dem türkischen Ministerpräsidenten werfen sie unermüdlich vor, ihm fehle jedes Recht, sich hierzulande als Beschützer von Minderheiten aufzuspielen, während er in seinem eigenen Land Minderheiten schikaniere.

Erdogan nutzt seine Reisen nach Deutschland mit Vorliebe zu Wahlkampfzwecken. Bei seiner Rede 2008 verkündete er vor 20.000 Landsleuten in der Köln-Arena, Assimilation sei "ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit".

Werden über den Kurdenkonflikt sprechen

Nun ist es also wieder so weit, dass viele Tausend Aleviten ihrer Wut Ausdruck verleihen können. Anlässlich der Eröffnung der türkischen Botschaft, der größten Auslandsvertretung der Türkei überhaupt, reist Erdogan nach Berlin. Am Mittwoch erwartet Angela Merkel den türkischen Ministerpräsidenten zum Mittagessen im Kanzleramt. In Vieraugengesprächen soll es vor allem um die Syrien-Krise gehen, aber auch den EU-Prozess der Türkei.

Zu den Protesten rund um Erdogans Besuch werden mehrere Zehntausend Menschen erwartet. Im Kern geht es den Aleviten um drei Forderungen: kein Krieg mit Syrien und keine Waffenlieferungen an dschihadistische Truppen aus der Türkei, Freiheit für die politischen Gefangenen, von denen sich viele in der Türkei im Hungerstreik befinden. Und drittens gleiche Rechte für alle ethnischen und religiösen Minderheiten in der Türkei. "Es darf nicht sein, dass die Türkei Minderheiten weiter unterdrückt", sagt Ali Dogan.

Merkel und Erdogan werden auch über den Kurdenkonflikt sprechen. Die deutschen Behörden unternehmen nicht genug gegen die PKK, die in der Bundesrepublik Schutzgelder sammelt und neue Anhänger wirbt, hatte Erdogan noch im September gewettert und unterstellt, Deutschland wolle keine Lösung des Kurdenkonflikts in der Türkei. Auch Erdogan, türkischer Ministerpräsident seit 2003, ist davon weiter entfernt denn je, denn unvermindert gibt es Kämpfe zwischen der Armee und PKK-Rebellen.

Erdogans Politik wird nationalistischer

Für den Premier steht viel auf dem Spiel. Die türkische Regierung hat im Syrien-Konflikt für die Opposition gegen Assad Partei ergriffen. Seitdem strömen Tausende Flüchtlinge über die Grenze. Außerdem droht Erdogan durch seine Parteinahme für die Islamisten des "arabischen Frühlings" die Sympathien der weltlichen Kräfte im arabischen Raum zu verlieren.

Lange Zeit wurde Erdogan in der arabischen Welt verehrt, weil er den Beweis erbracht hatte, dass der Islam kompatibel ist mit Entwicklung und Fortschritt. Seit Erdogan an der Macht ist, boomt das Land: Das Wirtschaftswachstum ist hoch, die Arbeitslosigkeit so niedrig wie lange nicht. Doch Erdogans Politik wird nationalistischer und militaristischer.

In der vergangenen Woche stand in Istanbul der Pianist und Komponist Fazil Say vor Gericht, weil er über den Islam gescherzt hat. Künstler, Intellektuelle und andere Kritiker sehen in dem Prozess einen weiteren Beleg für die Islamisierung des Landes. Und den Versuch, stellvertretend all jene einschüchtern zu wollen, die Erdogans Politik und die seiner Partei AKP ablehnen, sagt Prozessbeobachterin Sevim Dagdelen, Sprecherin für Internationale Beziehungen der Linke-Fraktion. Deshalb werde sie am Mittwoch mitdemonstrieren.

Zunehmend radikale Islamisierung der Türkei?

Ebenso haben Kurden und Armenier zum Protest aufgerufen. Der Westen müsse die zunehmend radikale Islamisierung der Türkei endlich zur Kenntnis nehmen, auch dass Ankara ihm den Rücken kehre, sagt Azat Ordukhanyan, Vorsitzender des Zentralrats der Armenier in Deutschland (ZAD).

Erst vor einigen Wochen hatte Erdogan auf dem Parteitag seiner AKP den Weg seines Landes gen Westen unter dem Jubel seiner Anhänger so beschrieben: Das Ziel sei "2071". 2071 nämlich jährt sich zum 1000. Mal die Schlacht von Manzikert, die den Sieg der türkischen Macht über Byzanz vorbereitete – und den Sieg über die Christen.

Foto: dpa Der Neubau der türkischen Botschaft in der Tiergartenstraße in Berlin

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