In Deutschland betrug das Plus im vergangenen Jahr drei Prozent. Im europäischen Schnitt waren es nur 2,7 Prozent
Höhere Löhne sorgen für mehr Konsum im Inland. Zugleich machen sie Produkte teurer und erschweren damit den Export
Deutschland hat im vergangenen Jahr gegenüber anderen Euro-Ländern an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Die Arbeitskosten hierzulande sind 2011 um drei Prozent gestiegen und damit zum ersten Mal seit der Jahrtausendwende schneller als im Durchschnitt aller Länder der Euro-Zone. Zwischen 2000 und 2010 hatte das Plus in Deutschland immer unter dem des Euro-Raums und der Europäischen Union gelegen. In den Volkswirtschaften der Währungsgemeinschaft legten die Arbeitskosten im vergangenen Jahr im Durchschnitt um 2,7 Prozent zu – in der gesamten Europäischen Union mit dem gleichen Tempo. Das ist das Ergebnis einer Analyse des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung.
Im ersten Halbjahr des laufenden Jahres setzte sich dieser Trend demnach fort: In diesem Zeitraum stiegen die Arbeitskosten hierzulande um 2,2 Prozent und im Durchschnitt der Euro-Länder um 1,8 Prozent. Steigende Arbeitskosten verteuern in der Regel Exportgüter und sorgen dafür dass eine Volkswirtschaft preislich weniger wettbewerbsfähig ist.
Für das laufende Jahr und das kommende Jahr erwartet Gustav Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK, erneut ein Plus von jeweils rund 2,5 Prozent. Damit dürfte sich die Arbeit erneut stärker verteuern als in der Euro-Zone insgesamt. Überdurchschnittlich wuchsen auch die Arbeitskosten in Luxemburg, Frankreich und Österreich. Besonders hoch waren die Steigerungen in der Tschechischen Republik: Dort legten die Arbeitskosten um 6,5 Prozent zu, und in Schweden stiegen sie sogar um 8,5 Prozent.
Für den hohen Anstieg in Schweden ist allerdings vor allem der gestiegene Kurs der schwedischen Krone verantwortlich, das gilt auch für die Tschechische Republik. Seit der Jahrtausendwende hat die Tschechische Krone gegenüber dem Euro um mehr als 30 Prozent aufgewertet. Dadurch haben sich die Arbeitskosten in dem mitteleuropäischen Land in Euro gerechnet beinahe verdreifacht, obwohl sie sich in der Landeswährung gerechnet nur verdoppelt haben. Ungarn und Polen haben hingegen davon profitiert, dass ihre Währungen gegenüber dem Euro abgewertet haben; die Arbeit in diesen Ländern wurde in Euro gemessen billiger.
Jede geleistete Arbeitsstunde kostete private Arbeitgeber hierzulande 2011 im Schnitt 30,10 Euro. Höher sind die Kosten nur in sechs weiteren Ländern der Europäischen Union: in den Niederlanden, Luxemburg, Frankreich, Dänemark, Schweden und Belgien. Belgische Unternehmen mussten 39,90 Euro pro Stunde zahlen, damit liegt das Land an der europäischen Spitze. Zu den Arbeitskosten zählt das IMK das Bruttoeinkommen und die Arbeitgeberanteile für die Sozialversicherung, daneben aber auch Aufwendungen für Aus- und Weiterbildung und als Arbeitskosten geltende Steuern.
In der EU kostete eine Arbeitsstunde durchschnittlich 23,10 Euro, in der Euro-Zone 27,60 Euro. Für den niedrigeren Schnitt in der gesamten EU sind vor allem die mittel- und osteuropäischen EU-Länder verantwortlich, in denen die Arbeitskosten teilweise deutlich niedriger sind. Mit 3,50 Euro pro Arbeitsstunde liegt Bulgarien am unteren Ende des Vergleichs und Rumänien mit 4,50 Euro pro Stunde direkt davor. Innerhalb der Euro-Zone sind die Arbeitskosten in den südlichen Ländern besonders niedrig; sie liegen dort zwischen 20,60 Euro in Spanien und 12,00 Euro in Portugal.
Die IMK-Forscher halten den Anstieg im vergangenen Jahr allerdings nicht für bedenklich und verweisen darauf, dass die Arbeitskosten hierzulande lange weniger stark gestiegen sind als bei den europäischen Nachbarn. Um das wirtschaftliche Gleichgewicht in der Währungsunion wiederherzustellen und die Ungleichgewichte abzubauen, müssten die Arbeitskosten hierzulande sogar noch stärker steigen. "Wenn die Arbeits- und Lohnstückkosten jetzt bei uns schneller wachsen als in den Krisenländern, ist das ein notwendiger, richtiger erster Schritt", sagte Gustav Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK.
Von der Jahrtausendwende bis zum Jahr 2008 seien die Arbeitskosten hierzulande im Schnitt nur um 1,8 Prozent gestiegen, in den Euro-Ländern dagegen um drei Prozent. Selbst nach dem Ausbruch der Finanzkrise wuchsen Arbeitskosten hierzulande weniger stark als im Schnitt der Euro- und EU-Länder.
Gustav Horn argumentiert, die höheren Gehälter unterstützten das Wirtschaftswachstum. "Höhere Löhne bei stabiler Beschäftigungsentwicklung schaffen die Voraussetzungen für einen relativ kräftigen privaten Konsum", sagte Horn. "Der stützt die deutsche Konjunktur." Tatsächlich gehörten zuletzt die Ausgaben der privaten Haushalte zu den Haupttreibern des Wachstums.
Die Lohnstückkosten, die Kosten pro hergestellter Einheit, stiegen in Deutschland im vergangenen Jahr um 1,3 Prozent und im Euro-Durchschnitt um 0,9 Prozent. Im ersten Halbjahr des laufenden Jahres beschleunigte sich allerdings der Zuwachs auf 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Im Euro-Raum betrug das Plus im gleichen Zeitraum allerdings nur 1,8 Prozent.
Allerdings waren auch die Lohnstückkosten zuvor weit weniger stark gestiegen als in anderen europäischen Ländern: Zwischen Anfang 2000 und Mitte 2012 legten sie im Schnitt nur um 0,7 Prozent im Jahr zu, während sie im Euro-Raum um 1,8 Prozent stiegen. Zwischen 2000 und Anfang 2008 stagnierten sie hierzulande sogar. Für die Untersuchung wertet das Institut Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat aus. Sehr groß ist hierzulande immer noch der Unterschied zwischen den Löhnen in der Industrie und im Dienstleistungsbereich. Während die Kosten in der deutschen Industrie mit 34,30 Euro vergleichsweise hoch lägen, seien sie bei den Dienstleistern rund 20 Prozent niedriger und bewegten sich mit 27,50 Euro nur minimal über dem Durchschnitt der Euro-Zone. In keinem anderen EU-Land ist der Abstand zwischen den Löhnen im Dienstleistungssektor und dem Verarbeitenden Gewerbe größer. IMK-Direktor Horn führt diese großen Unterschiede vor allem darauf zurück, dass in vielen Dienstleistungsbranchen nur Niedriglöhne gezahlt würden.
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