Rettungspaket
Geldgeber einigen sich auf die Auszahlung von 44 Milliarden Euro. Aber das dicke Ende für den Steuerzahler droht noch zu kommen.
Berlin/Brüssel. Die Entscheidung über das neue Rettungspaket für Griechenland könnte in Deutschland zur Zitterpartie werden. Die SPD lehnte gestern den Plan der schwarz-gelben Koalition zunächst ab, schon morgen endgültig grünes Licht für die Ausweitung der Milliardenhilfen zu geben. Damit wären Union und FDP bei einer Abstimmung auf ihre eigene Mehrheit angewiesen. Auch in der Koalition hatte es in der Vergangenheit immer wieder etliche Neinstimmen gegen die Griechenland-Hilfe gegeben.
SPD und Grüne signalisierten zwar grundsätzlich ihre Zustimmung zu den Entscheidungen aus Brüssel, die Sozialdemokraten wollen sich aber nicht unter Zeitdruck setzen lassen. "Wir können bislang nicht beurteilen, welche Folgewirkung diese Verständigung von heute Nacht hat", sagte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Außerdem rechnet die SPD fest mit einem Schuldenschnitt für Griechenland im Jahr 2014. "Ich sage Ihnen: Der Schuldenschnitt ist nicht vermieden, er ist verschoben worden auf einen Zeitpunkt nach der Bundestagswahl", sagte Steinmeier im ZDF-"Morgenmagazin". Auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle machte deutlich, dass er einen zweiten Schuldenschnitt "auf längere Sicht" nicht für ausgeschlossen hält. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen Rettungspaket für Athen:
Sind die Griechen jetzt gerettet?
Zunächst einmal wieder. Im Vierteljahrestakt warnen die Griechen davor, dass sie ohne EU-Gelder zum Datum x auf jeden Fall pleite sein werden. Dieses Mal sollte es übrigens Mitte November so weit sein. Gleichzeitig musste aber beinahe jede Hilfszahlung in den vergangenen zweieinhalb Jahren herausgezögert werden, weil Athen seine Zusagen nicht einhielt. Und die sind nach wie vor Voraussetzung für alle Kredite. Die Hoffnung ist, dass in Griechenland durch die neue Milliarden-Spritze für seine Banken die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, die vollkommen von jeder Liquidität abgeschnitten ist. Aber auch die jetzige finanzielle Atempause ist endlich. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zufolge sollte zwar die Lücke bis 2014 gefüllt sein. Aber das heißt zugleich, dass schon wieder über ein neues Hilfspaket nachgedacht werden muss. "Wir ziehen weitere Maßnahmen und Hilfen in Betracht", gab Schäuble nach dem Verhandlungsmarathon zu. Denn das Problem ist, dass die Griechen noch lange nicht ihre eigenen Schulden werden zahlen können.
Was hat Athen für die Hilfen getan?
Eine ganze Menge. Im Vergleich zu 2009 kürzten die Griechen ihren Haushaltssaldo um zwei Drittel, von 36 auf 13 Milliarden Euro. Sie drückten ihr Defizit um sechs Prozentpunkte, reformierten ihr Gesundheitssystem, setzten das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre hinauf, senkten den Mindestlohn und die Lohnstückkosten, sparten im öffentlichen Dienst ein, das Parlament stimmte neuen Kürzungen von 13,5 Milliarden Euro zu. "Vor allem aber ist sich die jetzige Regierung bewusst, was es bedeutet, wenn sie die Auflagen nicht umsetzt: dass ihre Zukunft und die ihres Landes an die Hilfen gekoppelt ist", meint Janis Emmanouilidis, Euro-Experte des European Policy Centre in Brüssel. Und der Druck der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) auf Athen geht weiter. So müssen die Griechen das Geld, das durch den Rückfluss von den Notenbanken sowie alle Privatisierungserlöse auf ein Sonderkonto einzahlen. Aus dem dürfen nur Schulden bedient werden. Die Ministerien bekommen eine Ausgabendeckelung. Und Kommission, EZB und IWF werden auch weiter regelmäßig in Athen auf der Matte stehen und ihre Kontrollen durchführen.
Wie sieht die Hilfe konkret aus?
Das Herzstück des dritten Griechenland-Pakets ist ein Programm zum Schuldenrückkauf. Die griechische Regierung kann mit geliehenem Geld eigene Schuldtitel zurückkaufen, um so die enorm hohe Schuldenquote zu drücken. Weil die griechischen Staatsanleihen derzeit nur rund ein Drittel ihres ursprünglichen Ausgabepreises wert sind, spart diese Maßnahme langfristig Geld. Konkrete Details und Summen für eine solche mögliche Rückkaufaktion wurden zunächst nicht genannt, da bei zu viel Information die Gefahr groß ist, dass Spekulanten den Kurs griechischer Anleihen in die Höhe treiben. Außerdem beschlossen die Euro-Länder Zinserleichterungen für Griechenland. So sollen die Zinsen aus dem ersten Griechenland-Programm deutlich gesenkt werden. Hier hatten die Euro-Länder bilaterale Hilfskredite an Athen vergeben. Für Deutschland übernahm dies die Staatsbank KfW, der Bund garantierte dafür. Die KfW soll die Kredite nun zu dem Zinssatz an Griechenland abgeben, zu dem sie sich refinanziert. Darüber hinaus sollen die Laufzeiten für die bilateralen Kredite sowie die Darlehen des Euro-Rettungsfonds EFSF um 15 Jahre verlängert werden. Die Zinsen für EFSF-Darlehen im Zuge des zweiten Rettungspaktes sollen zehn Jahre lang gestundet werden. Überdies werden künftige Buchgewinne mit griechischen Staatsanleihen, die bei der Europäischen Zentralbank sowie bei den nationalen Notenbanken anfallen, auf ein Sperrkonto in Griechenland überwiesen. Die Euro-Gruppe hofft, dass Griechenland mit den Maßnahmen bis 2016 seine Schuldenlast auf 175 Prozent der Wirtschaftsleistung drücken kann - nach voraussichtlich fast 190 Prozent im Jahr 2014. Bis zum Jahr 2020 soll die Schuldenquote auf 124 Prozent reduziert werden, 2022 auf weniger als 110 Prozent.
Stimmt der Bundestag zu?
In Deutschland muss das Parlament dem neuen Griechenland-Hilfspaket zustimmen. Schäuble wollte ursprünglich noch in dieser Woche einen entsprechenden Antrag im Bundestag vorlegen. Allerdings moniert die Opposition, dass die Regierung das Paket wieder im Eiltempo durchsetzen will. Schließlich hatte man sich in Brüssel bis zur Einigung monatelang Zeit gelassen. Nun sollen die Parlamentarier fast ohne Vorbereitungszeit zustimmen. Die SPD schlug deshalb vor, zunächst nur über das Schulden-Rückkaufprogramm zu entscheiden und sich für den Rest mehr Zeit aufzuheben. Inhaltlich allerdings wird allgemein erwartet, dass auch dieses Mal wieder die nötige Mehrheit zustande kommt. Zumal das Gros der Abgeordneten ebenso wie die Bundesregierung die Griechen im jeden Fall im Währungsraum halten will. Ohne weitere Finanzhilfe aber wäre das Land im Dezember zahlungsunfähig. Da für die Beratung nur wenig Zeit bleibt, dürfte es für die Bedenkenträger innerhalb der Koalition wie etwa den Euro-Rebellen der FDP, Frank Schäffler, schwierig werden, Stimmung gegen diese dritte Griechenland-Rettung zu machen. Und auch SPD und Grüne signalisierten bereits ihre Zustimmung. Lediglich die Fraktion der Linken kündigte eine Ablehnung an.
Kommt der Schuldenschnitt?
Mit dem jetzt vereinbarten Maßnahmen-Paket wird ein Schuldenschnitt zumindest in den nächsten Monaten nicht notwendig sein. Die Gläubigerländer gewähren den Griechen erneut mehr Zeit für ihre Haushaltskonsolidierung. Zudem wird der Schuldendienst durch die Senkung der Zinsen erleichtert. Experten wie der frühere Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, bezweifeln allerdings, dass der Krisenstaat auf diese Weise wieder auf die Füße kommt. Denn trotz aller Sparbemühungen ist der Schuldenstand weiterhin extrem hoch und die Wirtschaftskraft des Landes gering. Schäuble selbst schließt denn auch einen Schuldenschnitt zu einem späteren Zeitpunkt nicht kategorisch aus. Allerdings stünden einem solchen Schritt derzeit rechtliche Probleme entgegen, sagte der Minister. Da Deutschland weiterhin Garantien abgibt, könne man dem Land nicht gleichzeitig Schulden erlassen. Wenn Griechenland es aber schaffen sollte, sein Staatsdefizit so weit zu reduzieren, dass es ohne Berücksichtigung des Schuldendienstes einen Überschuss erzielt, dann hält der deutsche Finanzminister einen Schuldenschnitt für nicht ausgeschlossen.
Wie viel zahlt der deutsche Steuerzahler?
Anders als die bisherigen Griechenland-Hilfen schlägt sich das neue Programm im Bundesetat nieder. Finanzminister Schäuble kündigte Mindereinnahmen infolge der beschlossenen Zinserleichterungen an. Im kommenden Jahr könnte dies rund 700 Millionen Euro ausmachen. Insgesamt kalkuliert die EZB bis 2030 allein für die Überweisung der Zinsgewinne an Athen mit elf Milliarden Euro. Davon entfallen 27 Prozent auf Deutschland. Verglichen mit den 300 Milliarden Euro an Staatsschulden, die die Griechen haben und ohne weitere Zugeständnisse der Gläubiger wohl nie zurückzahlen können, ist dieser Betrag allerdings überschaubar.
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