jueves, 27 de diciembre de 2012

Frankenfelds Welt: Deutschland wird Mittelmaß - Hamburger Abendblatt

27.12.12, 02:30

Frankenfelds Welt

Die Bevölkerung schrumpft, die Wirtschaft fällt international zurück. Nur mit Europa kann unser Land weltweit wirksam bleiben

Das ausgehende Jahr war reich an Spekulationen über einen vermeintlichen oder auch faktischen Niedergang der Vereinigten Staaten von Amerika. Zumindest relativ gewertet ist dieser Niedergang Tatsache, denn der Aufstieg Chinas, Indiens und anderer Staaten ist unübersehbar.

Dennoch werden die USA noch über Jahre hinweg wirtschaftlich und militärisch dominierend sein, auch der kulturelle Einfluss wird erheblich bleiben. Amerika hat überdies nicht jene inneren Probleme, die China oder Indien jederzeit zerreißen könnten. Auch haben die USA aufgrund ihres gesunden Bevölkerungswachstums ein riesiges Reservoir an jungen, ehrgeizigen Arbeitskräften.

Über Deutschlands künftigen Rang wird hingegen nicht oft geschrieben - dabei haben wir im Gegensatz zu den USA viel eher Anlass, darüber nachzudenken. Dass in Deutschland viel zu wenig Kinder geboren werden, dass unsere Gesellschaft sich schwer damit tut, Vollzeit arbeitende Mütter zu akzeptieren und zu entlasten, darüber ist in den vergangenen Wochen viel geschrieben worden. Diese Entwicklungen werden nicht ohne dramatische Folgen auch für die wirtschaftliche und politische Position unseres Landes in der Staatengemeinschaft bleiben.

Vermutlich wird Deutschland bereits in diesem Jahr den Rang als viertgrößte Wirtschaftsmacht der Erde an Indien verlieren. Nun kann man zum Trost einwenden, dass die 82 Millionen Deutschen immerhin die gleiche Leistung erbringen wie fast 1,3 Milliarden Inder. Aber unter dem Strich wird uns diese Erkenntnis nicht helfen.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert gehörte das deutsche Kaiserreich noch zu den stärksten und dynamischsten Nationen der Erde. Allerdings war dieser steile Aufstieg verbunden mit maßloser Arroganz und einem die ganze Gesellschaft erfassenden Militarismus. Das Ergebnis waren die beiden Urkatastrophen des 20. Jahrhunderts. Das heutige Deutschland ist eingebunden in ein europäisches Wirtschafts- und Sicherheitssystem - und nur darin liegt langfristig die Möglichkeit für unser Land, international wirksam zu sein.

Man muss sich nur vor Augen führen, wie unsere Mitbewerber inzwischen aussehen: China geht auf 1,4 Milliarden Menschen zu und wird bald noch von Indien überholt werden. Indonesien hat 240 Millionen Einwohner, Brasilien fast 200, Nigeria mehr als 150.

Es gibt Prognosen, nach denen uns selbst das chaotische und in einen furchtbaren Bürgerkrieg mit der Drogenmafia verstrickte Mexiko - derzeit 113 Millionen Einwohner - in den kommenden Jahrzehnten überholen wird. Von Russland (140 Millionen, aber abnehmend) und der Türkei (derzeit noch rund 70 Millionen, aber explosiv wachsend) ganz zu schweigen. Innerhalb Europas werden uns wohl auch Großbritannien und Frankreich in der Bevölkerungszahl überholen. Zur Illustration: Im Zweiten Weltkrieg hatte Großbritannien gerade einmal 40 Millionen Einwohner, Deutschland gut 80.

Die Deutschen haben zwar nicht beschlossen, sich ganz abzuschaffen - aber sie haben beschlossen, Deutschland als eine der großen Mächte der Erde abzuschaffen. Das Schrumpfen und Vergreisen unseres Volkes wirdvorübergehend nur durch verstärkte Zuwanderung aufgehalten.

Eine Katastrophe ist dies allein noch nicht. Denken wir an die skandinavischen Staaten, die bei geringen Bevölkerungszahlen mit den höchsten Lebensstandard aller Völker genießen und die Ranglisten bezüglich der Bildung anführen. Es gibt nur wenige Regionen der Erde, in denen es sich so angenehm leben lässt wie in Europas Norden. Allerdings bekommen die Völker dort auch mehr Kinder als wir.

Die Geschicke der Welt aber bestimmen andere Nationen. Und auch am deutschen Wesen wird die Welt - Gott sei Dank - nicht mehr genesen. Wirtschaftlich sind wir derzeit noch recht stark, fallen aber in den Ranglisten zurück. Und militärisch spielen wir praktisch überhaupt keine Rolle mehr. Das muss man keineswegs bedauern, solange unser Land keiner unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt ist.

Wir Deutschen müssen uns daran gewöhnen, in einer sich dramatisch verändernden multipolaren Welt langfristig nur noch einen Platz irgendwo im Mittelfeld einnehmen zu können. Wer in Zeiten der europäischen Krise meint, allein seien wir stärker, der irrt.

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